Geothermisches Reservoir am Standort Schwerin erschlossen – neuer Erkundungsansatz Sandsteinfazies erfolgreich!

Göttingen, d. 12.4.2021

 

In der mecklenburgischen Landeshauptstadt Schwerin freuen sich die örtlichen Stadtwerke über den erfolgreichen Abschluss des Geothermieprojekts Schwerin-Lankow. In den zurückliegenden drei Jahren wurden zwei Bohrungen im Stadtgebiet abgeteuft, die in 1.250 m Tiefe ein etwa 45 m mächtiges Reservoir mit hervorragenden hydraulischen Eigenschaften erschlossen haben. Mit der im ersten Quartal 2022 geplanten Inbetriebnahme der Geothermieanlage sollen bereits 10% der kommunalen Wärmeversorgung aus regenerativer, geothermischer Energie gewonnen werden.

 

Die Auswahl von Standort und Zielhorizont in Schwerin-Lankow erfolgte maßgeblich durch den neuartigen Erkundungsansatz Sandsteinfazies. Dieser wurde in mehreren BMWi-finanzierten FuE-Verbundvorhaben unter maßgeblicher Beteiligung der Universität Göttingen entwickelt und durch die Geothermie Neubrandenburg GmbH zur marktreifen Anwendung gebracht.

 

„Der interdisziplinäre Erkundungsansatz basiert auf der Kombination geologischer Methoden und der Auswertung großer Bohrungsdatensätze. Aus den Verbundvorhaben ist das Kartenwerk geothermischer Reservoire Norddeutschlands entstanden, das Standortprognosen verbessert und Fündigkeitsrisiken verringert. Die getroffenen Reservoirprognosen konnten durch die Bohrungen in Schwerin-Lankow eindrucksvoll bestätigt werden“, sagt Dr. Matthias Franz aus der Abteilung Angewandte Geologie der Universität Göttingen.

 

Das Kartenwerk ist über das "Geothermische Informationssystem" des Leibniz-Instituts für Angewandte Geologie in Hannover einer breiten Öffentlichkeit zugänglich und bildet so die Grundlage für weitere Geothermieprojekte in Norddeutschland. „Es sind bereits weitere Geothermieprojekte in Planung“, bestätigt Dr. Peter Seibt, Geschäftsführer der Geothermie Neubrandenburg GmbH, und ergänzt „Das Projekt in Schwerin hat Modellcharakter für ganz Norddeutschland, da es erstmals den wirtschaftlichen Reservoirbetrieb in mittleren Tiefen aufzeigt.“

 

Bislang galt für den wirtschaftlichen Betrieb eine Mindesttemperatur von 65°C, die in Norddeutschland erst in Tiefen unterhalb 1.500 m vorhanden ist. In Schwerin ist nun trotz der niedrigeren Temperatur von ca. 56° C ein wirtschaftlicher Anlagenbetrieb möglich. Durch die hohe Reservoirqualität können erstmals Hochtemperaturwärmepumpen zum Einsatz kommen, die die Temperaturdifferenz in einem innovativen Wärmewerk ausgleichen. Insgesamt profitieren die Stadtwerke Schwerin von der geringeren Tiefe des Reservoirs, da die Erschließungskosten deutlich niedriger ausfallen. Die nach dem Schweriner Modell verbesserte Wirtschaftlichkeit von Geothermieprojekten erweitert den Kreis zukünftiger Standorte in Norddeutschland erheblich. Ein wichtiger Meilenstein für die klimafreundliche Wärmewende mit positiven Auswirkungen weit über die Region Schwerin hinaus.

Funktionsprinzip der Bohrungsdublette am Standort Schwerin-Lankow.
Funktionsprinzip der Bohrungsdublette am Standort Schwerin-Lankow.

Sandsteinfazies – ein Beitrag zur Wärmewende in Norddeutschland

Unter Sandsteinfazies.de firmiert seit dem Jahr 2011 eine Arbeitsgruppe von Geologen und Geophysikern aus Wissenschaft und Industrie, die das Ziel verfolgen, das Erkundungsrisiko hydrothermaler Sandsteinreservoire für die geothermische Wärmeversorgung zu minimieren. Zu diesem Zweck wurde der Erkundungsansatz Sandsteinfazies entwickelt, der im Rahmen verschiedener FuE-Verbundvorhaben auf die mesozoischen Hauptreservoire des Norddeutschen Beckens angewendet wurde. Der Erkundungsansatz Sandsteinfazies ermöglicht erheblich verbesserte Reservoirprognosen, durch die in den kommenden Jahren neue Standorte für die kommunale Wärmeversorgungen in Nord-deutschland erschlossen werden können. Die grundsätzliche Machbarkeit wurde in den Jahren 2018 bis 2021 mit der Erschließung eines Reservoirs im Untergrund der Stadt Schwerin bewiesen!

 

Das aktuelle Verbundvorhaben mesoTherm wird im Zeitraum 1.4.2020 bis 31.3.2024 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.

Die fündige Bohrung Gt Schwerin 6/17, Foto: K. Obst (LUNG).
Die fündige Bohrung Gt Schwerin 6/17, Foto: K. Obst (LUNG).