Bemessen an den hohen sedimentären Mächtigkeiten des Deckgebirges und seiner Ausbildung ist das Norddeutsche Becken die bedeutendste Lagerstätte geo-thermischer Energie in Deutschland. Weitere geologische Großstrukturen mit hohem tiefengeothermischen Potenzial sind das weitaus kleinere Molassebecken sowie der Oberrheingraben in Süddeutschland.
Im Norddeutschen Becken reicht die Nutzung tiefengeothermischer Energie bis in das Jahr 1984 zurück, als in Waren das erste Wärmewerk in Betrieb genommen wurde. Weitere Anlagen folgten in Neubrandenburg und Neustadt-Glewe. Die generelle Nutzbarkeit des enormen geothermischen Potenzials verdeutlicht dabei vor allem die Anlage in Neustadt-Glewe beispielhaft, durch die in den zurückliegenden 20 Jahren zuverlässig eine wirtschaftliche Energieversorgung gewährleistet wurde.
Allerdings ist das Norddeutsche Becken in letzten 30 Jahren etwas in das Hinter-treffen geraten. In den zurückliegenden Jahren wurden vor allem im Molassebecken und im Oberrheingraben neue Erlaubnisfelder erschlossen. Dies liegt unter anderem daran, dass die geothermischen Reservoire des Norddeutschen Beckens in der Vergangenheit stark vereinheitlicht bewertet wurden und klare Vorstellungen über deren räumliche Ausbildung und Verbreitung im Untergrund bislang fehlen. Dadurch wurde eine intensivere Nutzung tiefengeothermischer Energie erheblich beein-trächtig.
An diesem Punkt setzen wir mit dem von uns entwickelten Erkundungsansatz Sandsteinfazies an, mit dem Ziel, einen entscheidenden Beitrag zur kostengünstigen Nutzung tiefengeothermischer Wärme zu leisten, indem wir Methoden, Verfahren und Entscheidungshilfen entwickeln, die zur Vorbereitung und im Zuge der Exploration das Fündigkeits- und Erfolgsrisiko vermindern. Wir wollen den Riesen wecken!
Das Norddeutsche Becken verfügt nach Jung et al. (2002) über enorme geo-thermische Ressourcen von 2100 EJ (Exajoule), die in der bis über 7000 m mächtigen Abfolge wie folgt verteilt sind:
Petrothermale Lagerstätten umfassen zumeist paläozoische Reservoire, also Reservoire, die unter dem Zechsteinsalz lagern, während hydrothermale Lagerstätten zumeist auf mesozoische Reservoire über dem Zechsteinsalz beschränkt bleiben. Bislang werden in Norddeutschland lediglich die hydro-thermalen Lagerstätten genutzt, während für petrothermale Lagerstätten noch kein nachhaltig erfolgreiches Erschließungskonzept gefunden werden konnte. Dementsprechend wird die Erschließung hochpermeabler hydrothermaler Reservoire auch als konventionelle Erschließung bezeichnet. Die Erschließung niedrigpermeabler petrothermaler Lagerstätten erfordert dagegen besondere Maßnahmen und Methoden, um die Gebirgsdurchlässigkeit zu erhöhen, die unter dem Begriff „Enhanced Geothermal Systems“ zusammengefasst werden.
Auf Grund wirschaftlicher Erwägungen konzentrierte sich die Erkundung geothermischer Lagerstätten seit den 1970er-Jahren zunächst auf die mesozoische Abfolge,
in der vor allem im östlichen Teil des Norddeutschen Beckens zahlreiche Sandsteine vorhanden sind. Im Ergebnis der Untersuchungen wurden diese Einzelreservoire zu den folgenden Hauptreservoiren
zusammengefasst:
Im Zuge der Ersterkundung erwiesen sich vor allem die Reservoire des Oberen Keupers bis einschließlich Mittleren Juras als besonders geeignet. An mehreren Standorten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wurde deshalb eine Erschließung dieser Reservoire angestrebt. Letztendlich gingen jedoch nur die Anlagen in Neubrandenburg, Neustadt-Glewe und Waren in Betrieb, die seitdem als Erschließungsbeispiele gelten. Aus den langjährigen Erfahrungen im Betrieb dieser Anlagen, die jeweils Reservoire des Oberen Keupers erschlossen haben, können die Mindestanforderungen an die Reservoirqualität abgeleitet werden. Dementsprechend sollte ein hydrothermales Reservoir eine effektive Nettomächtigkeit von mindestens 20 m, eine Nutzporosität von über 20 % und Permeabilitäten von über 500 mD aufweisen.
Weist ein hydrothermales Reservoir die genannten Parameter auf und ist zudem entsprechend tief versenkt, so dass Formationswässer mit einer Temperatur von >65°C vorhanden sind, kann die Erschließung mittels Förder- und Injektionsbohrung (Dublette) erfolgen. Im Reservoirbetrieb wird über die Förderbohrung warmes oder heißes Tiefenwasser gewonnen, obertägig über einen Wärmetauscher ausgekühlt und anschließend über die Injektionsbohrung wieder in das Reservoir verbracht. Die über den Wärmetauscher entzogene Wärme kann beispielsweise für den Betrieb eines Fernwärmenetzes genutzt werden.
Die wirtschaftliche Nutzung von Erdwärme für den Betrieb von Fernwärmenetzen und/oder zur Produktion von Strom setzt hohe Volumenströme von 50 bis weit über 100 m³/h voraus. Da die konventionelle Erschließung hydrothermaler Reservoire vollständig auf stimulierende Maßnahmen verzichtet, müssen die Mindest-anforderungen (20 m, 20 %, 500 mD) hinsichtlich der Reservoirqualität zwingend erfüllt sein. In bestimmten Größenordnungen können diese Parameter jedoch variieren. Beispielsweise kann eine niedrigere effektive Nettomächtigkeit durch eine höhere Permeabilität in bestimmtem Umfang ausge-glichen werden und umgekehrt.
In Norddeutschland werden hydrothermale Reservoire bereits an mehreren Stand-orten für den Betrieb von Fernwärmenetzen sowie von Freizeitbädern und Kurein-richtungen genutzt. Je nach Standort sind Reservoire des Mittleren Juras bis Mittleren Buntsandsteins in Teufen bis 2.250 m in Betrieb, in denen Tiefenwässer bis 99°C zirkulieren. Bislang erfolgte jedoch nur an den Standorten Neubrandenburg, Neustadt-Glewe und Waren eine Erschließung hydrothermaler Reservoire, die für den Betrieb von Fernwärmenetzen genutzt werden. An den Standorten Neustadt-Glewe und Waren erfolgt der Normalbetrieb, das heißt es wird gleichzeitig gefördert und injiziert. Dagegen wird das Reservoir am Standort Neubrandenburg seit dem Jahr 2004 als saisonaler Wärmespeicher genutzt, in dem im Sommer Abwärme eines Heizkraftwerkes gespeichert wird. Im Winter erfolgt die Rückfördderung, die zum teilweisen Betrieb eines Fernwärmenetzes beiträgt.
Am Standort Waren (Müritz) wird seit dem Jahr 1984 das älteste Wärmewerk Deutschlands betrieben, durch das geothermische Energie für den Betrieb eines Fernwärmenetzes nutzbar gemacht wird. Über eine Dublette ist in einer Tiefe von 1500-1540 m ein Reservoir aus dem Oberen Keuper (sogen. Contorta-Sandstein) erschlossen. Das geförderte Formationswasser hat eine Temperatur von 61°C und weist eine Salinität von 158 g/l (TDS) auf. Im Jahr 2018 wurden 2.54 GWh/a gewonnen (www.geotis.de).